Lemgo. Mit einer Mail-Ankündigung der Schulleiterin des Lüttfeld-Berufskollegs Andrea Brasch wurde das gesamte Kollegium des Lüttfeld-Berufskollegs zu einem ganztägigen Workshop des Unternehmens „conceptK“ über die Schule der Zukunft eingeladen, während alle Schülerinnen und Schüler für den Tag abbestellt wurden, um im Homeoffice zu arbeiten. Die Schulleiterin betonte in ihrem Schreiben, dass die Ergebnisse des Workshops in der Ermittlung der zukünftigen Infrastrukturbedarfe der lippischen Berufskollegs und in eine ergebnisoffene, strukturelle Planung der lippischen Berufskolleglandschaft einfließen würden. Das klang sehr vielversprechend. „Jetzt haben Sie die Gelegenheit, die Lehr-/Lernumgebung mitzugestalten“, bemerkte die Schulleiterin und verbreitete mit diesem „Think big!“-Optimismus im Kollegium eine euphorische Aufbruchstimmung: „Bringen Sie Ihre Erwartungen, Ideen, Visionen zu Ihrem „Arbeitsplatz Schule“ ein. Denken Sie out of the box, über den Tellerrand hinaus. Ihr kreatives, kollaboratives, kommunikatives, konstruktives Denken ist gefragt. Formulieren Sie Ihre Wünsche und Bedürfnisse wie Bewegung, Ruhe, Arbeit, Entspannung, Kreativität, Synergien“, lauteten ihre Worte.
So startete kurz nach den Osterferien der ganztägige Workshop des Unternehmens „conceptK“ für das mehr als hundertköpfige Kollegium. Nach einer freundlichen Begrüßung der Schulleiterin stellten sich der Architekt, Fachingenieur Projektmanagement und Geschäftsführer Christian Auerbach und der Architekt Konstantin Trautmann persönlich vor und beide gaben eine Einführung in die Workshopthemen. Zunächst planten sie, einen fiktiven Zeitungsartikel der Lippischen Landeszeitung aus der Ausgabe vom 27. April 2051, den sie in Papierform vorlegten, gemeinsam mit dem Kollegium zu lesen. Hierbei sollten offene Fragen geklärt und eine kurze Diskussion über das Erreichen der vermerkten Ziele geführt werden – was jedoch schon aufgrund der vielen Anwesenden nicht so einfach war. Anschließend sollten drei Workshops folgen, ohne größere Pausen. In den Workshops, die als Gruppenarbeit angelegt waren, ging es um das Bewerten von Lernen und Lehren, um das Erstellen von Personas und um das Aufschreiben von Ideen.
Zunächst wurden Gruppen für den Tag eingeteilt, die aus jeweils rund 10 Personen bestanden. Dann kam die Aufforderung an die Anwesenden: „Lassen Sie sich mal darauf ein!“ Im ersten Workshop sollten sich die Kolleginnen und Kollegen mit einem Plakat auseinandersetzen, das im Zusammenhang mit einem 2019 im Verlag Vahlen erschienenen Buch des Unternehmers, Autors und Moderators Martin Permantier mit dem Titel „Haltung entscheidet, Führung und Unternehmenskultur zukunftsfähig gestalten“ entstanden ist. Das Buch richtet sich laut Klappentext an „Unternehmer, Führungskräfte, Coaches, HR-Verantwortliche und alle, die sinnerfüllt und selbstorganisiert arbeiten wollen“. Leider wurde das Buch im Rahmen des Workshops von den beiden Workshopleitern nicht näher erläutert, so bestand die Aufgabe allein darin, sich mit den Inhalten des Plakates, die nicht konkret auf die Lebenswirklichkeit an Berufskollegs zugeschnitten waren, auseinanderzusetzen und mit Hilfe von Klebepunkten auf dem Plakat zu markieren, „wie wir 2025 gedacht haben (mit der Farbe ROT) und wie wir 2051 denken werden (mit der Farbe BLAU)“. Das Plakat mit der Überschrift „Haltung entscheidet – Perspektiven auf Lernen und Lehren“ beleuchtet die Themen, „wie wir Reife entwickeln“, „wie wir Beziehungen führen“, „wie wir Lernen verstehen“, „was wir unter Lehren verstehen“ und „wie wir uns selbst erleben“. Anhand der Präsentationen der einzelnen Plakate sollte deutlich werden, „wo wir stehen und wo wir hin wollen“. Die einzelnen Gruppen begründete in einer Abschlussrunde, warum sie Punkte hier und dort auf dem Plakat gesetzt hatten.
Nach einer kurzen Pause ging es um „Personas“. Unter Personas versteht man detaillierte Beschreibungen von fiktiven Personen, die typische Merkmale einer Zielgruppe widerspiegeln. Personas helfen Unternehmen dabei, die Bedürfnisse und Ziele der Zielgruppe genauer zu verstehen, was zu einer besseren Entwicklung und Gestaltung von Produkten und Dienstleistungen führt und zudem auch für die Kommunikation und das Marketing auf die Zielgruppe vorteilhaft ist. Leider führten die beiden Workshopleiter den Anwesenden nicht vor Augen, warum dieses Personas-Konzept für die Entwicklung von Ideen für die Schule der Zukunft hilfreich sein kann. So erhielten die Anwesenden drei farbige Karten, die eine zeitliche Abfolge anschaulich machen sollten. Laut Vorgabe stellte sich das Kollegium vor, im Jahr 2051 zu leben, hierfür stand die Karte in Orange, auf der eine „Persona of today“ zu erschaffen war. Die gelbe Karte stand für die Vergangenheit, also für das Jahr 2025 und für eine „Persona of the past“. Schließlich war eine rote Karte zu nutzen, worauf eine „Persona of the future“ für das Jahr 2071 erfunden werden sollte. Für alle Karten gab es die Rubriken „Name“, „Rolle“, „Beschreibung“, „Wichtig“, „Besondere Bedarfe (keine Räume!)“, „Einfluss“ und „Entwickelt sich zu“. Insgesamt war hierfür nur ein kurzer Zeitraum von 90 Minuten angesetzt. Einzelne Personas wurden von den Gruppen vorgestellt (Beispiel: „In Zukunft werden Menschen durch Roboter ersetzt, die personifizierte Programme anbieten und das Lernen zu einer „Gamification“ bzw. „Spielifizierung“ werden lassen.“) und sollten schließlich nach Aussage der Workshopleiter in eine „zukünftige Lern- und Lehrumgebung“ gespiegelt werden, was jedoch im Rahmen des Workshops nicht geschah.
Wieder gab es eine kurze Pause. Danach stand die Methode „Silent storming“ auf dem Programm, wo sich die Lehrerinnen und Lehrer für eine festgelegte Zeit still und individuell Gedanken notieren sollten, auf gelben Karten zu der Frage „Was haben wir gemacht? (2025)“ und auf roten Karten „Was machen wir jetzt (2051) anders?“. Die beschriebenen Karten wurden auf Stellwänden fixiert und die individuelle Ideensammlung wurde von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Rahmen eines „Museumsgangs“ begutachtet (Ein Beispiel: „Früher war ich glücklich, heute bin ich glücklicher und ausgeglichen!“). Schließlich gab es ein kurzes Statement zu den Karteikarten und zu den drei Workshops insgesamt.
Leider verzichteten die Workshopleiter auf eine umfassende Abschlussreflexion am Ende der Veranstaltung, in der das Kollegium seine Erfahrungen, Erkenntnisse und Eindrücke hätte teilen können. Es hätte gefragt werden können, was die Anwesenden besonders angesprochen oder überrascht hat oder was für sie herausfordernd gewesen ist. Wie kam der Workshop also an? So ist abschließend festzustellen, dass alle Anwesenden mit einer positiven Grundeinstellung und einem großen Interesse gestartet waren und auch während der Workshops intensiv mitarbeiteten, vertrauensvoll Informationen preisgaben, ihre Erwartungen, Ideen und Visionen offenlegten, sogar „out of the box“ dachten. Gleichwohl blieb am Ende eine gewisse Irritation, gar eine Enttäuschung. Viele Anwesenden erwarteten, dass tatsächlich über ihre konkreten Bedarfe, über ihre persönlichen Interessen und Wünsche und über ihre Arbeitszusammenhänge und Bildungsgänge gesprochen werden würden. Dies geschah jedoch viel zu wenig. Auch hätte in diesem Workshop über die Schule der Zukunft stärker beleuchtet werden können, wie sich die Digitalisierung und insbesondere die Entwicklung der künstlichen Intelligenz auf das Lehren und Lernen und auf die berufliche Bildung konkret in naher und ferner Zukunft auswirken werden. Stattdessen hatten die Workshopleiter eine Vorgehensweise gewählt, die nicht sehr präzise war und zu vieles offen ließ. Die kommenden Auswertungsschritte der Daten und Informationen blieben für alle an den Workshops Teilnehmenden zudem ein großes Geheimnis.
Die Schule der Zukunft? Einige Statements von Workshop-Teilnehmenden machten deutlich, dass es in Zukunft möglicherweise keinen festen Schulort mehr geben wird, sondern vielleicht eine lebensnahe Lernumgebung, die jederzeit und überall zugänglich ist. Jeder Schüler, jede Schülerin wird nach seinen individuellen Bedürfnissen und Interessen lernen, mit personalisierten Lernpfaden und Lernmaterialien. Es wird KI-gestützte Lernassistenten geben, die vielfältige Aufgaben übernehmen und nicht zuletzt den Lernfortschritt überwachen. Schülerinnen und Schüler könnten auf allen Kontinenten verstreut leben und sich aufgrund gemeinsamer Interessen in digitalen Klassenräumen treffen, wo Lernbegleiter sie in ihrem Lernprozess unterstützen. Am Lüttfeld-Berufskolleg finden weitere Workshops des Unternehmens „conceptK“ statt, etwa für ausgewählte Schülerinnen und Schüler des Lüttfeld-Berufskollegs (für zwei, maximal 4 Personen pro Klasse). Auch wird es fachliche Workshops geben, bei denen nicht das gesamte Kollegium eingebunden ist. Die Festlegung erfolgt über die Schulleitung in Absprache mit der erweiterten Schulleitung. Auf den weiteren Verlauf der ergebnisoffenen, strukturellen Planung der lippischen Berufskolleglandschaft darf man gespannt sein.