Lemgo. Ein Schüler des Beruflichen Gymnasiums für Gesundheit und Soziales des Lüttfeld-Berufskollegs nimmt an einem internationalen Projekt der Europäischen Kommission teil, bei dem es um Planungen für den EU-Haushalt geht, der im Januar 2028 in Kraft treten soll. Das Projekt mit dem Titel „European Citizens´ Panel on an new EU Budget fit for our ambitions” zielt darauf ab, die Bürgerbeteiligung in Europa zu stärken. Im Rahmen eines Auswahl- und Losverfahrens wurden aus ganz Europa 150 Bürgerinnen und Bürger nach einem Zufallsprinzip ausgelost, „die repräsentativ für die demografische Vielfalt der EU“ stehen. Der Schüler des Lüttfeld-Berufskollegs wurde also auf Grund einer glücklichen Fügung ausgewählt und nach Brüssel eingeladen, wo er gemeinsam mit Menschen aus ganz Europa konkrete Empfehlungen zu einem neuen langfristigen EU-Haushaltsplan ausarbeitet. Die Europäische Kommission, insbesondere die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verspricht sich sehr viel von einer europäischen Bürgerbeteiligung, wie sie in einem Statement betont: „Der nächste langfristige Haushalt wird die gemeinsame Vision unserer Union für die Zukunft stärken. Er setzt unsere gemeinsamen Prioritäten in konkrete Maßnahmen um, die für Millionen von Bürgern, Unternehmen, Regionen und Forschern einen Unterschied machen. Deshalb laden wir alle Europäerinnen und Europäer ein, sich im Rahmen öffentlicher Konsultationen, eines Bürgerforums oder der Bürgerbeteiligungsplattform zu äußern. Dies ist eine Einladung, einen modernen, ehrgeizigen und verstärkten Haushalt zu gestalten. Unsere Herausforderungen sind auch gemeinsame Ziele: Gemeinsam sind wir stärker“. Das Bürgerforum findet im Frühjahr 2025 an drei Wochenenden statt, jeweils von Freitag bis Sonntag. Die konkreten Empfehlungen sollen in den kommenden EU-Haushalt einfließen, der einstimmig von allen Mitgliedstaaten und mehrheitlich vom Europäischen Parlament angenommen werden muss. Nach der Verabschiedung im Laufe des Jahres 2025 wird der nächste langfriste Haushalt im Januar 2028 in Kraft treten.
Hier ein Bericht des Schülers über seine ersten Eindrücke und Erfahrungen als Mitglied des EU-Bürgerforums zum neuen EU-Haushalt: „Vor einigen Monaten stand eine Person im Auftrag der EU vor unserer Haustür, die mir zwei Informationszettel gab und behauptete, dass mein Wohnviertel zufällig ausgewählt worden wäre und alle dort Wohnenden die Chance hätten, sich mit einem QR-Code für ein EU-Projekt im Internet zu registrieren. Dieses Verfahren geschah in allen 27 Mitgliedstaaten der EU und es hatten insgesamt 150 Menschen aus allen 27 Mitgliedstaaten der EU die Möglichkeit, zufällig ausgewählt zu werden, wenn sie sich mit dem QR-Code im Internet registrieren. Zuerst hielt ich das für einen großen Schwindel und war mir nicht sicher, ob ich mich dort anmelden sollte. Auf der Website wurde nach Informationen gefragt, die ich ohne Bedenken herausgeben konnte, zudem habe ich mich im Internet über das „Bürgerforum“ näher informiert. Die Informationen standen auf der offiziellen Seite der EU-Kommission, die das ganze Programm ins Leben gerufen hat. Ich meldete mich also an und erhielt ein paar Wochen später eine E-Mail, in der meine Teilnahme an dem Bürgerforum mit Glückwünschen bestätigt wurde. Ich nahm Kontakt zu verschiedenen EU-Organisation auf, erhielt ein ICE-Ticket nach Brüssel und einen Hotelaufenthalt gratis. Kurz vor dem Tag der Abreise gab es ein Zoom-Meeting online, bei dem ich die anderen deutschen Teilnehmenden kennenlernte, die verstreut in verschiedenen Regionen des Bundesgebietes leben. Am 27. März 2025 ging es los und ich fuhr von Lage nach Bielefeld, von Bielefeld nach Köln und von Köln nach Brüssel. Dort angekommen wurde ich von einem Mitarbeiter der Kommission begrüßt, er gab mir U-Bahn-Tickets und erklärte mir das U-Bahn-System der Stadt und wie genau ich ins Hotel komme, wo auch andere Teilnehmende untergebracht waren.
Am nächsten Tag startete das Projekt. Im Gebäude der EU-Kommission kam ich nach einem gründlichen Sicherheitscheck rein und lernte Menschen aus allen Mitgliedstaaten der EU kennen, ich kam in Kontakt zum Beispiel mit Italienern, Rumänen, Schweden und vielen weiteren. Und das alles in englischer Sprache, wenn man die Muttersprache der anderen nicht spricht und umgekehrt. Wir hielten uns dann in einem großen Saal auf, der eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Plenarsaal im Reichstagsgebäude hat. Es war zunächst wie eine Vorlesung, wie man sie aus einer Uni kennt. Uns wurde die EU ausführlich erklärt, also die Entstehungsgeschichte, die politischen Maßnahmen, die Funktionen der Institutionen. Und das auch in verschiedenen Sprachen. Die zwei Moderatoren und Experten sprachen allerlei Sprachen, weshalb wir Dolmetscher zur Hilfe hatten. An jedem Platz gab es Kopfhörer und ein Gerät, mit dem wir die Sprache auswählen konnten, in die übersetzt werden sollte. Am Anfang war es anstrengend, die fremden Sprachen zu hören und gleichzeitig alles in die deutsche Sprache gedolmetscht zu bekommen. Besprochen wurde dann das eigentliche Thema, das wir im Rahmen des Projektes behandeln, nämlich die Entwicklung des Haushalts der EU. Beim Bürgerforum ist es das Ziel, gemeinsam ins Gespräch zu kommen und am Ende nach drei Sitzungen ein Haushalt zu entwerfen, der eine Empfehlung für die EU-Kommission darstellt. Der Kommission soll vor Augen geführt werden, was die Bürgerinnen und Bürger in Europa eigentlich vom künftigen Haushalt der EU erwarten. Deshalb wurde uns zunächst der aktuelle Haushalt erläutert und dann erklärt, worauf wir bei der Entwicklung des künftigen Finanzplans achten müssen.
Am nächsten Tag ging es in ein anderes Gebäude der EU, nach einem gründlichen Sicherheitscheck wurden alle 150 Teilnehmer aufgeteilt in insgesamt 12 Gruppen. Hier führten wir das erste Mal Diskussionen über politische Themen, welche im jetzigen Haushalt der EU berücksichtigt werden, beispielsweise Klimaschutz oder Migration. Das größte und aktuellste Thema war Verteidigung und Sicherheit. Es gab unterschiedliche Auffassungen und es wurden Potentiale für weitere Diskussionen deutlich. Erste Ansätze und Prioritäten für einen zukünftigen Haushalt kamen zur Sprache. Unsere Anstrengungen und inhaltlichen Auseinandersetzungen wurden belohnt: Am Ende des langen Diskussionstages gab es eine schicke Feier.
Am dritten Tag waren wir wieder im großen Saal im Gebäude der EU-Kommission. Dort stellten alle 12 Gruppen ihre Diskussionsergebnisse vor. Das Ziel war es, die Prioritäten aller Gruppen zu vereinigen und gemeinsame Inhalte herauszufinden. Große Themen waren Klimaschutz, Bildung, Verteidigung und Sicherheit. Mich persönlich hat es überrascht, dass das Thema Migration nicht stärker zur Sprache kam, obschon es aus meiner Sicht in ganz Europa von Bedeutung ist. Nach dem Ende der Sitzung ging es zurück ins Hotel und dann mit dem ICE zurück Richtung Heimat. Doch das ist noch nicht das Ende der Geschichte.
Es wird nämlich insgesamt drei Sitzungsrunden des Bürgerforums geben, das erste Wochenende war nur die erste Runde gewesen. Ende April gibt es die zweite, welche Online stattfinden wird. Dort geht es darum, in den gleichen zwölf Gruppen konkrete Maßnahmen zu entwickeln, welche dann durch den Haushalt finanziert werden sollen. Ebenfalls geht es darum festzulegen, wieviel Geld eigentlich wohin fließen soll. Dafür haben wir einen Laptop sowie Kopfhörer erhalten, welche ebenfalls das Dolmetschen ermöglichen, sodass sich alle Teilnehmenden verstehen können. Am Ende der zweiten Sitzungsrunde sollen Entwürfe zu verschiedenen Themen fertig gestellt werden. Diese werden dann Experten vorgelegt und in der dritten Sitzungsrunde, die Ende Mai wieder in Brüssel stattfindet, bekommen wir eine Rückmeldung von den Experten und die Chance, unsere Entwürfe nochmal zu überarbeiten. Diese werden dann in der großen Runde mit allen Teilnehmern besprochen. Schließlich soll dann über die Entwürfe demokratisch abgestimmt werden. Der ausgewählte Entwurf muss sicherlich noch einmal überarbeitet werden. Am Ende steht dann ein Haushaltplan, der möglichst die Mehrheit der Menschen in Europa repräsentiert und der Kommission hoffentlich zeigt, was die Bürgerinnen und Bürger von dem neuen Haushalt der EU, der von 2028 bis 2035 gültig sein soll, erwarten.“
Wir wünschen viel Erfolg und viel Spaß bei der Teilnahme an diesem interessanten internationalen Projekt zu dem künftigen Haushalt der Europäischen Union.